Versehentlich Rückwärtsgang eingelegt – Kein Rückwärtsfahren im Sinne des § 315 c StGB

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Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat im Herbst 2020 eine weitere Konkretisierung des § 315 c StGB unternehmen müssen. Es war fraglich, ob das ungewollte Einlegen des Rückwärtsganges und das darauffolgende versehentliche Rückwärtsfahren mit dem PKW ausreicht, um den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f) StGB zu erfüllen. Die Richter der Revisionsinstanz sehen in dieser Tathandlung keine Erfüllung des erforderlichen Tatbestandes und verwiesen das Verfahren zurück an das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte befand sich auf einer weitreichenden Landstraße und wurde auf der rechten Seite von einem Motorradfahrer überholt. Da der Beschuldigte kurz davor war, mit seinem PKW abzubiegen, kam es fast zur Kollision der beiden. Aufgrund des Schockmoments entschied sich der Zeuge E mit seinem Motorrad am rechten Fahrbahnrand zu halten. Aus Verärgerung über die waghalsige Aktion des Motorradfahrers hielt der Angeklagte mit seinem Fahrzeug hinter dem Motorradfahrer an. Dabei blockierte er beide Fahrspuren, so dass ein LKW sowie ein weiterer PKW ihre Fahrzeuge komplett zum Stillstand bringen mussten. Als der Angeklagte den Motorradfahrer zur Rede stellen wollte, schaltete dieser das Automatikgetriebe seines Fahrzeuges nicht auf den Parkvorgang einleitenden Gang „P“, sondern legte ausversehen den Rückwärtsgang ein und stieg zugleich aus dem Fahrzeug aus. Als dieser bemerkte, dass sein Auto mit offener Fahrertür nach hinten rollte, sprang er wieder in seinen PKW, riss das Lenkrad herum, konnte allerdings nicht mehr verhindern, dass dieses mit dem stehenden Fahrzeug hinter diesem kollidierte. Es entstand ein Schaden in Höhe von ca. 2700 €.

Das Amtsgericht sah in diesen Feststellungen eine Nötigung nach § 240 StGB sowie eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f), Abs. 3 StGB. Zudem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von acht Monaten bis zur möglichen Wiedererteilung verhängt.

Gegen dieses amtsgerichtliche Urteil wandte sich der Angeklagte mit einer Sprungrevision zum Oberlandesgericht Zweibrücken, welches das Urteil des Amtsgerichts aus den folgenden Gründen aufhob:

Nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f) StGB macht sich derjenige strafbar, der grob verkehrswidrig und rücksichtslos auf Autobahnen oder Kraftstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht. Das Tatbestandsmerkmal des Rückwärtsfahrens beinhaltet – ebenso wie dasjenige des „Führens“ i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 – ein subjektives bzw. „finales“ Element. Wer ohne seinen Willen ein Fahrzeug rückwärts in Bewegung setzt, fährt bzw. führt dieses nicht. Es reicht danach für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht aus, wenn der Täter, wie es im obigen Sachverhalt der Fall war, ungewollt sein Fahrzeug in Bewegung setzt.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.10.2020 – 1 OLG 2 Ss 49/20

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

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Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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