Der Begriff des „Gewahrsams“ am Bargeld beim Diebstahl am Geldautomaten

 In Veröffentlichungen
Eine junge Frau nutzt einen Geldautomaten – Ein typisches Bild im Alltag

Dem BGH-Beschluss und dem zuvor durch das LG Dortmund erlassenen Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass die Angeklagten sich neben die Geschädigten, die zum Zwecke des Bargeldabhebens ihre EC-Karte in den Geldautomaten eingeführt und die PIN-Nummer eingegeben hatten, gestellt, diese bedrängt und sodann das Bedienfeld mit Zeitungen abgedeckt hatten, um als Geldsumme Beträge von 500 bzw. 800 Euro einzugeben. Das vom Geldautomaten ausgegebene Geld nahmen die Angeklagten dann an sich und entfernten sich damit. Das LG verurteilte sie u.a. wegen Diebstahls und anderer Vermögensdelikte. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten waren erfolglos.

Der Begriff der Wegnahme als Teil des Diebstahls nach § 242 StGB

Gem. § 242 StGB setzt jede Diebstahls-Tat die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache voraus.              Zweifelsfrei war das Bargeld für die Angeklagten eine fremde, bewegliche Sache. Aber nahmen sie dieses den Geschädigten auch weg? Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Bestand im konkreten Fall überhaupt Gewahrsam der Geschädigten an dem im Ausgabefach befindlichen Bargeld? Der Gewahrsam an einer Sache wird als die tatsächliche Sachherrschaft definiert, die von einem entsprechenden Herrschaftswillen getragen wird. Das objektive Merkmal der tatsächlichen

ist gegeben, wenn  jemand unter normalen Umständen auf eine Sache einwirken kann und seiner Herrschaft keine Hindernisse entgegenstehen. Bei dem Herrschaftswillen handelt es sich um die subjektive Komponente. Beurteilungsmaßstab für die Frage der tatsächlichen Sachherrschaft und des Herrschaftswillens sind stets die Einzelfallumstände und Anschauungen des täglichen Lebens, nach denen die jeweilige Sache einer bestimmten, ihr nicht unbedingt körperlich am nächsten stehenden Person zugeordnet wird.

In dem Fall, in dem ein Geldautomat am Ende eines ordnungsgemäßen Abhebevorgangs Geld im Ausgabefach ausgibt und bereitstellt, hat die Person, die diesen Vorgang durch Eingabe der Bankkarte und der PIN-Nummer in die Wege geleitet hat, die Möglichkeit des Zugriffs auf das Geld. Diese Ansicht steht in Einklang mit der üblichen Verkehrsauffassung, die das Geld ab diesem Zeitpunkt dieser Person als „ihr Geld“ zuordnet. Die Geschädigten hatten folglich die tatsächliche Sachherrschaft über das Bargeld. 

Subjektiver Herrschaftswille über bereitgestelltes Bargeld gegeben

Die Tatbestandsvoraussetzung des subjektiven Herrschaftswillens wurde hier ebenso bejaht. Als Argument wurde angeführt, dass der Vorgang des Geldabhebens zum Zweck und mit dem Willen der Geschädigten bzw. Bankkunden in die Wege geleitet wurde, die anschließende Sachherrschaft über das gesamte, bereitgestellte Bargeld auszuüben. Hervorzuheben ist, dass es nicht von Relevanz ist, dass der auszuzahlende Geldbetrag nicht von den Karteninhabern, sondern von den Angeklagten eingegeben wurde. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Herausnahme des Geldes aus dem Ausgabefach von den Geschädigten wahrgenommen wurde oder heimlich passierte. 

BGH bestätigt den Diebstahl

Im Ergebnis bestand ein Gewahrsam der Karteninhaber an dem Bargeld, der durch die Entnahme des Geldes aus dem Ausgabefach durch die Angeklagten gebrochen wurde, da der Gewahrsam am Geld gegen den Willen der Gewahrsamsinhaber aufgehoben wurde. Eine Wegnahme i.S.d. § 242 StGB war damit gegeben.

BGH, Beschluss vom 03.03.2021 – 4 StR 338/20 (LG Dortmund)

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt  für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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