IS-Heimkehrerin: Anrechnung ausländischer Freiheitsstrafe vom BGH aufgehoben

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Der Bundesgerichtshof hat sich im Juli 2021 mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle auseinandersetzen müssen. Es handelte sich um einen Ausspruch über die Aufrechnung ausländischer Freiheitsentziehung. Dies wurde von den Richtern aus Karlsruhe gekippt. Die Anrechnungsvoraussetzungen müssen nun erneut von den Juristen aus Celle überprüft werden.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Oberlandesgericht Celle hat eine 30 – Jährige, welche die deutsche Staatsbürgerschaft innehat und im Jahr 2014 in das syrische Bürgerkriegsgebiet ausgereist war, wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung des Islamischen Staates (IS) verurteilt. Es ging darum, dass Sie neben der Mitgliedshaft in der Organisation zudem die tatsächliche Gewalt über ein als Kriegswaffe einzustufendes Gewehr innehatte. Die Richter haben die Frau zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. 

Umrechnung einer ausländischen Freiheitsstrafe?

Zudem wurde seitens des Gerichts angeordnet, dass die in der Türkei vollzogene Freiheitsentziehung im Umfang von ca. 2 ½ Monaten auf die Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet werde. Hier wurde ein Umrechnungsmaßstab von 1:2 angelegt. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die bereits verbüßte Freiheitsstrafe in der Türkei wie ein fünfmonatiger Freiheitsentzug anzusehen ist. 

Staatsanwaltschaft legt Sachrüge ein

Dagegen hat sich die Generalstaatsanwaltschaft Celle mit einer Revision zum Bundesgerichtshof gewehrt. Die nachträgliche Rechtsüberprüfung soll lediglich die Aufrechnungsentscheidung angreifen, der Schuld – sowie Strafausspruch soll bestehen bleiben und wurde dahingehend rechtskräftig.

Der Bundesgerichtshof folgte der Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft und hob das Urteil bezüglich der Anrechnung der ausländischen Freiheitsentziehung auf. Laut der Richter habe die Überprüfung des Anrechnungsanspruches seitens des Oberlandesgerichtssenates nicht ausreichend stattgefunden und es wurden keine hinreichend klaren Feststellungen hierzu vorgenommen. 

Die Richter aus Celle haben als Grundlage für ihre Entscheidung die rechtlichen Normen des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB herangezogen. Demnach sei der von der Angeklagten in der Türkei erlittene Freiheitsentzug als türkische Untersuchungshaft zu behandeln. 

Diese Argumentation findet seitens der Juristen aus Karlsruhe keinen fundamentierten Halt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kristallisiert sich heraus, dass die Angeklagte außerhalb eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Ausland in Abschiebehaft genommen wurde. 

Internationaler Haftbefehl ausschlaggebend

Die Anrechnungsfähigkeit der oben genannten Abschiebungshaft ist jedoch an weitere einschränkende Voraussetzungen gekoppelt, beispielsweise einem internationalen Haftbefehl. Ob ein solcher Haftbefehl zum Zeitpunkt der rechtlichen Bewertung durch das Oberlandesgericht Celle vorlag, wurde jedoch bislang nicht festgestellt.

Aus diesem Grund verweist der Bundesgerichtshof erneut an das Oberlandesgericht Celle, um die neu herausgearbeiteten Anrechnungsvoraussetzungen zu überprüfen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.07.2021 – 3 StR 473/20 –

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. 

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana 

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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