Kleine Steine von einer Brücke auf eine Straße werfen – Ist das schon ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 StGB?

 In Veröffentlichungen

Der Bundesgerichtshof musste sich kurz vor den Feiertagen im Jahr 2021 noch einmal mit einem Fall zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr beschäftigen. Das vorinstanzlich zuständige Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 StGB verurteilt. Das reichte der Staatsanwaltschaft jedoch nicht, welche der Ansicht war, dass das Landgericht den Tötungsvorsatz des Beschuldigten verkannt hat. Die Richter des Bundesgerichtshofes haben die einzelnen Tathandlungen separat betrachtet und in keinem der Abläufe einen potentiellen Tötungsvorsatz gesehen, die Revision wurde abgewiesen.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschuldigte habe sich noch bei Tageslicht auf einer Brücke aufgehalten, welche circa sieben Meter hoch ist und den Übergang für eine Bundesstraße darstellt. Plötzlich griff er in das Kiesbett, welches sich neben dem geteerten Übergang der Brücke befand und nahm eine Hand voll scharfkantiger Schottersteine mit unterschiedlicher Größe auf. Die folgenden Untersuchungen ergaben, dass es sich um Steine in einer Größe zwischen 3-7cm handelte und diese Menge ein Gesamtgewicht von ca. 470g aufwies.

Werfen von Kieselsteinen – ist da schon ein Tötungsvorsatz konstruierbar?

Diese Hand voll Kieselsteine hat er dann auf einen PKW geworfen, welcher soeben die Bundesstraße unter ihm befahren hat. Er habe in diesem Moment Wut und Frust auf seine Mitpatienten einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie gespürt und durch diese Aktion Druck abgelassen. Er wollte mit dem Wurf der Steine lediglich das Autodach treffen und durch die damit einhergehende Sachbeschädigung eines fremden Gegenstandes seine Aggressionen abbauen.

Das Landgericht geht in keinem Fall davon aus, dass der Beschuldigte durch den Wurf mit diesen oben genannten Steinchen einen Menschen töten, verletzen oder gefährden wollte. Hätte er diese Absicht innegehabt, so wäre es ihm möglich gewesen, größere Steine für seine Tat zu benutzen, welche sich ebenfalls in dem Kiesbett auf der Brücke befanden.

Durch die herabfallenden Steine ist bei dem besagten PKW ein Sachschaden von 4.800 EUR entstanden, da das Dach verbeult und verkratzt wurde. Der Betroffene hat den Aufprall der Steine kaum bemerkt, es kam auch zu keinem unkontrolliertem Fahrmanöver durch Erschrecken oder ähnliche Reaktionen.

Staatsanwaltschaft sah eventuelle versuchte Mordhandlung des Beschuldigten

Die Richter des Bundesgerichtshofes haben sich mit dem genauen Ablauf der Tat sowie den damit verbundenen Schäden sowie den Hauptmotiven des Täters intensiv auseinandergesetzt und sind zu dem Entschluss gekommen, dass hier von einer Absicht des Herbeiführens von Personenschaden und Sachschaden scharf abzugrenzen ist.

Damit § 315b StGB verwirklicht ist, bedarf es einer verkehrsspezifischen Gefahr, auf welche der Täter seinen Vorsatz richtet. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es dem Beschuldigten im obigen Fall jedoch nicht darauf an, einen Unglücksfall auszulösen. Er wollte lediglich das Autodach zerbeulen und keine Massenkarambolage provozieren.

Die Revision wurde abgewiesen, da dies jedoch zum Vorteil des Angeklagten geschah, folgte eine Verweisung zur Neuverhandlung an eine andere Kammer des vorinstanzlichen Landgerichts.

BGH, Beschl. v. 09.12.2021 – 4 StR 167/21

AdobeStockFoto-Nr.: 33190426

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

Empfohlene Beiträge