Gefahrenquelle selbst geschaffen – Sind sogar Todesfolgen von Berufsrettern deshalb zurechenbar?
Der Bundesgerichtshof hat sich im letzten Jahr mit einer strafrechtlichen Entscheidung und der Problematik der Zurechnung von Verletzungen sogenannter „Berufsretter“ auseinandergesetzt. Durch eine Explosion und einen damit verbundenen Brand kamen zwei Feuerwehrleute ums Leben, da Sie eine Gefahr einer Explosion in der konkreten Situation verkannt hatten. Die Richter des Bundesgerichtshofes gehen in diesem Urteil so weit, dass Sie dem Beschuldigten den verursachten Tod sowie die damit zusammenhängenden Körperverletzungen der Berufsretter erfolgreich zurechnen.
Dem Beschluss der obersten Revisionsinstanz liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte hatte als Arbeiter eines Subunternehmers auf dem Werksgelände der BASF SE in Ludwigshafen sogenannte „Dehnungsbögen“ von Rohrleitungen demontiert, welche im Nachhinein ausgetauscht werden sollten. Damit diese abgebaut werden können, wird die zu bearbeitende Rohrleitung „stillgelegt“. Im Anschluss werden die darunter liegenden Leitungen mit einem Trennschleifer zersägt.
Verwechslung der Leitung führte zu schwerwiegenden Folgen
Im vorliegenden Fall wurden die Umbauarbeiten wie folgt geplant: Zwei Mitarbeiter des Werkes liefen die zu bearbeitenden Rohrleitungen ab und markierten diese mit einem X, damit Sie vom eingesetzten Subunternehmer auch ausreichend identifiziert werden können. Bedauerlicherweise verwechselte der Handwerker jedoch die betreffende Leitung versehentlich mit der benachbarten Rohrleitung, in welcher zum Zeitpunkt des Fehltrittes immer noch hochentzündliches Gas geführt wird. Nach dem Ansetzen des Trennschleifers verursachte der Funkenflug eine Explosion, da sich das in der Rohrleitung geführte Gas entzündet hat.
Zwei Explosionen raubten vier Feuerwehrleuten der Werksfeuerwehr das Leben
In Folge dieser Explosion strömte weiter Gas aus. Nach ca. 10 Minuten haben sich bereits mehrere Feuerwehrleute der Werksfeuerwehr an der Unfallstelle versammelt. Obwohl sich die Berufshelfer an den Mindestabstand von 50 Metern zur Brandstelle gehalten haben, kam es aufgrund der ansteigenden Hitze um die Rohrleitungen zu einer weiteren, größeren Explosion, welche vier Feuerwehrleuten das Leben kostete.
Ein daraufhin durchgeführtes Gutachten ergab, dass die Feuerwehrleute im Zeitpunkt der Annäherung die äußere Erhitzung der Fernleitung nicht objektiv erkennen konnten und demnach die hohe Explosionsgefahr nicht wahrnahmen.
Das erstinstanzliche Landgericht verurteilte den Subunternehmer, welcher den Unfall überlebte, aufgrund fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und wegen fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Dagegen wandte sich der Beschuldigte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof. Die Richter aus Karlsruhe haben diese jedoch verworfen. Nach ihrer Ansicht habe der Beschuldigte eine Gefahrenquelle herbeigeführt, für welche eine Gefahrenbekämpfung notwendig war.
Als die Feuerwehrleute die Brandstätte erreichten, führte diese Gefahrenbekämpfung unmittelbar zum Tod der Berufshelfer. Diese haben sich an die objektiven Vorschriften des Mindestabstandes gehalten – die zweite Explosion war auch nicht vorhersehbar. Im vorliegenden Fall hat der BGH die strafrechtliche Zurechnung bejaht – Das Urteil des Landgerichts hat demnach Bestand.
BGH, Beschl. v. 05.05.2021 – 4 StR 19/20
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht