BGH: Grenzen der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation

 In Veröffentlichungen

Der Bundesgerichtshof hat sich im Dezember 2021 bezüglich der Revision eines landgerichtlichen Urteils aufgrund des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu den Grenzen rechtsstaatswidriger Tatprovokation ausgesprochen. In der Revisionsinstanz bedurfte es der Abgrenzung von rechtsstaatswidriger Beeinflussung durch einen verdeckten Ermittler. Letztendlich konnten die Richter aus Karlsruhe keine Tatprovokation erkennen, welche die Grenzen übersteigt.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das vorinstanzlich zuständige Landgericht hat festgestellt, dass der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte A zwischen den Monaten des Oktobers und Novembers im Jahre 2019 den Handel mit Kleinmengen von Kokain und Cannabis begonnen hat.

Drogenmengen wurden immer größer – Einsatz eines verdeckten Ermittlers

Aufgrund der Ermittlungen der Polizei konnte eingegrenzt werden, dass der Angeklagte A sich im März 2020 mit dem Mitangeklagten B zusammentat, um fortan gemeinsam die Betäubungsmittel in größeren Mengen einzukaufen und dann gewinnbringend weiter zu veräußern.

Nachdem das Verkaufsgeschäft der Beiden in der Untergrundszene an Anerkennung gewann, konnte die Polizei einen verdeckten Ermittler einschleusen, welcher sich im März 2020 als Käufer ausgab und demnach zum Angeklagten A weiterverwiesen wurde.

Er erwarb von diesem zehn Gramm Marihuana als „Einfallstor“ und fragte zudem häufig nach, ob es ihm auch möglich sein, über seine Person an größere Mengen des Rauschgiftes zu gelangen.

Tatprovokation des V-Mannes führte zum Erfolg

In der Folgezeit konnte der verdeckte Ermittler in drei weiteren Fällen zweistellige Cannabismengen sowie Kokain im einstelligen Grammbereich bei dem Angeklagten A erstehen. Nach den erneuten Anfragen für größere Mengen fasste Angeklagter A den Entschluss, dem Ermittler eine größere Menge Rauschgift zu besorgen. Da der Polizist drei Kilogramm Marihuana sowie zwischen 50 und 100 Gramm Kokain wollte, musste der Angeklagte A eine Quelle finden, welche solche Mengen beschaffen kann. Nach langer Diskussion willigte der Angeklagte B auf Anfrage des Angeklagten A ein, die vereinbarten Mengen zu beschaffen.

Als es zur Übergabe zwischen dem Ermittler und dem Angeklagten A kam, griff die Polizei zu.

Gegen das Urteil wurde seitens der beiden Beschuldigten Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, der das landgerichtliche Urteil, soweit es den Angeklagten A betrifft teilweise aufgehoben hat.

Die Richter aus Karlsruhe forderten, dass es bezüglich der Beurteilung der polizeilichen Tatprovokation einer weiteren Aufklärung bedarf, um nicht eventuell in den Bereich der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinsichtlich der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation zu fallen.

Hinsichtlich dieser Einteilung spielen viele Faktoren eine entscheidende Rolle: Fraglich ist, inwiefern hier eine Aufstiftungshandlung (Provozieren zu einer deutlich gewichtigeren Straftat) gegeben ist. Zudem muss erforscht werden, in wieweit der verdeckte Ermittler bei den Angeklagten einen physischen sowie psychischen Druck aufgebaut hat.

Die Revision seitens des Angeklagten B wurde durch die Richter aus Karlsruhe verworfen, da ihm aufgrund des fehlenden Kontaktes gegenüber des verdeckten Ermittlers keine rechtsstaatswidrigen Einflüsse tangierten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.2021 – 1 StR 197/21 –

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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