„Ne bis in idem“ – Ist die Vollstreckung nach einer Doppelbestrafung von diesem Grundsatz gedeckt?

 In Veröffentlichungen

Das Amtsgericht Reutlingen hatte sich Anfang des Jahres mit einem deutschen Rechtsgrundsatz auseinanderzusetzen. Es geht vorab um die Zulässigkeit der Vollstreckung einer Geldstrafe.

Zum Sachverhalt:

Bei dem Verurteilten wurde durch die Mitbewohner des Hauses ein verstärkter Cannabisgeruch festgestellt, so dass diese die Polizei alarmierten. Nachdem sich die Beamten im Haus eingefunden haben und den Geruch problemlos feststellen konnten, forderten Sie eine richterliche Anordnung zur Kontrolle der Wohnung an, worauf es zum Auffinden von Betäubungsmitteln und einer Auseinandersetzung zwischen dem noch damals Verdächtigen und einem Polizeibeamten kam. Dies geschah am 02.04.2021.

Strafbefehl wegen Besitz von Betäubungsmitteln vom 07.05.2021

Der erste Strafbefehl, welcher den Besitz der Betäubungsmittel sanktionierte, stammt vom 07.05.2021. In diesem wurde der Beschuldigte zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen diesen Strafbefehl legte der Mann Einspruch ein – die Sache wurde vor dem Amtsgericht Reutlingen verhandelt. Es kam am 26.06.2021 zu einem Urteil, welches mit dem Strafbefehl übereinstimmte.

Hauptverhandlung aufgrund Widerstandshandlung gegen Polizeibeamten vom 29.07.2021

Des weiteren kam es aufgrund der Widerstandshandlung gegen den Beamten zu einer Hauptverhandlung am 29.07.2021.

Die Staatsanwaltschaft, welche beide Taten separat verfolgt, hat einen Antrag gestellt, dass eine Vollstreckungshandlung aus dem Urteil vom 26.06.2021 und dem damit verbundenen Strafbefehl vom 07.05.2021 unzulässig sei, da es gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung, welches in Art. 103 III GG verankert ist, verstoßen würde.

Über die prozessuale Tat, welche nach Ansicht des Amtsgerichts Reutlingen in Tateinheit, § 52 StGB begangen wurde, ist bereits in der Verhandlung entschieden worden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht geboten und wurde auch nicht vom Verurteilten beantragt.

Nach Ansicht des Richters ist der Sachverhalt weder rechtlich noch bei verständiger Betrachtung des Geschehens in der Gesamtsituation in irgendeiner Art und Weise aufspaltbar. Somit gehört das vollumfängliche Verhalten des Angeklagten zu einem einheitlichen Lebensvorgang.

Der Richter nutzte folgenden Wortlaut:

„Dass die gesamte Tat bereits rechtskräftig abgeurteilt ist, war wohl bedauerlicherweise zu übersehen, da in dem Bundeszentralregisterauszug (Stand: 28.04.2021, mit Beantragung des Strafbefehls im Juni) in der Verfahrensakte in Sachen 5 Cs 24 Js 7842/21 die frühere Aburteilung durch den Strafbefehl noch nicht enthalten war und vom zum damaligen Zeitpunkt unverteidigten Angeklagten in der Hauptverhandlung am 29.07.2021 nicht mitgeteilt wurde. Lediglich anzumerken bleibt, dass die eingesetzte Software ForumStar nicht auf die Anhängigkeit von mehr als einem Verfahren zur gleichen Zeit gegen ein und dieselbe Person beim Gericht oder Spruchkörper automatisiert hinweist. Dar er Strafbefehl. welcher zur zweiten Verurteilung führte, beim Gericht erst im Juni 2021 beantrag: wurde, hat sich das Fehlen einer entsprechenden Softwarefunktion nicht ausgewirkt.“

Die doppelte Verurteilung ist misslich, rechtswidrig und wurde erst mit einer vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung bei der Staatsanwaltschaft augenfällig.

Von Amts und Verfassungs wegen ist die „zweite Geldstrafe” nicht zu vollstrecken, wenn auch der „doppelt” Verurteilte den Fehler weder bis zur Rücknahme einer Berufung noch zu einem späteren Zeitpunkt gerügt hat.”

Hier kam es zu dem seltenen Fall, dass die Staatsanwaltschaft eingeschritten ist und es dadurch zu einem besseren Ergebnis für den Verurteilten führte.

AG Reutlingen, Beschl. v. 25.01.2022 – 5 Cs 24 Js 7842/21

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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