Wann beginnt das „Handeltreiben“ bei der Aufzucht von Cannabissetzlingen?

 In Veröffentlichungen

Der Bundesgerichtshof hat im Mai 2021 einen weiteren Betäubungsmittelfall auf rechtliche Fehler geprüft und solche festgestellt. Die Richter aus Karlsruhe verdeutlichten die Schwelle zwischen dem Beginn des Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bei der Aufzucht von Cannabispflanzen und dem davon nicht umfassten Lagern der Stecklinge.

Der Revision liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das vorinstanzlich zuständige Landgericht hat ein Ehepaar verurteilt, da diese nach den Feststellungen des Gerichts seit April 2019 damit begonnen haben, in ihrem Eigentumshaus eine Cannabis-Plantage einzurichten, um durch den Verkauf der erwarteten Ernte die notwendigen Mittel für eine Hausrenovierung zu erwirtschaften. Als die Polizei im November 2019 eine Hausdurchsuchung durchführte, wurden 342 Cannabis-Stecklinge mit einer Höhe zwischen 10cm und 15 cm aufgefunden, welche bereits in Steinwolle-Blöcke eingepflanzt waren. Die Stecklinge hatten zum Zeitpunkt des Auffindens einen Wirkstoffgehalt von 3,08 % THC, was bei einer Gesamtmasse von 74,69 Gramm Marihuana eine Gesamtmenge von 2,3 Gramm THC darstellt.

Setzlinge sollten in bereits eingerichtete Pflanzenbänke im Hauptanbauraum eingebettet werden

Die Pflanzen befanden sich in diesem Zeitraum jedoch noch nicht im eingerichteten Anbauraum, sondern wurden im Flur des Hauses zwischengelagert.  Im Hauptraum fanden die Beamten 65 eingerichtete Pflanzschalen, in welchen die Stecklinge nach den Vorstellungen der Angeklagten heranwachsen und abgeerntet werden sollten. Im vorliegenden Fall sollte ein Ertrag von ca. 7kg erwirtschaftet werden, welcher einen ungefähren Verkaufswert von 25.000 EUR bedeuten würde.

Das Landgericht hat eine Verurteilung aufgrund des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen, da nach Ansicht der Richter die Setzlinge bereits einen hohen THC-Gehalt aufwiesen und zudem in räumlicher Nähe zu den Pflanzbänken aufbewahrt wurde, so dass diese bereits im weiteren Sinne in die Plantage eingebracht wurden.

Wann liegt die Vollendung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bei Stecklingen vor?

Die Beschuldigten legten Revision zum Bundesgerichtshof ein, welche teilweise erfolgreich war.

Nach der gesetzlichen Definition ist ein Handeltreiben wie folgt zu definieren:

Handeltreiben im Sinne des 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, „die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen“ (BGH, aaO, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Im vorliegenden Fall argumentierten die Richter aus Karlsruhe, dass ein alleiniger Erwerb der Setzlinge zum Zweck des anschließenden Anbaus noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit darstellt, welche für eine Verurteilung nach diesem Straftatbestand notwendig ist. Hier ist eine Abgrenzung zwischen dem Tatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln trennscharf durchzuführen. Der Versuch ist nach dem Sinn und Zweck des Gesetzgebers erst dann zu bejahen, wenn ein unmittelbares Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen erkenntlich ist.

Das Ansetzen zum Anbau der Pflanzen kann man in der Zwischenlagerung der Stecklinge vor der Hauptkammer nicht eindeutig als Versuch einordnen. Nach Ansicht des Generalbundesanwaltes ist hier auch eine Auslegung als Verbrechensverabredung möglich. Eine Vollendung des Handeltreibens, wie es das vorinstanzliche Landgericht hier gesehen hat, ist nach Ansicht der Richter aber erst eingetreten, wenn der Anbau mit Verkauf – und Gewinnerzielungsabsicht begonnen wurde, demnach mit dem Anpflanzen der Stecklinge in einer bestimmten Mindestgröße in die dafür vorgesehenen Pflanzenboxen.

Das ist im obig geschilderten Fall nicht eingetreten, demnach kann eine Vollendung hier nicht angenommen werden.

Die Sache wurde zur erneuten weiteren Feststellung an eine andere Strafkammer des vorherigen Landgerichts zurückverwiesen.

BGH, Beschl. v. 27.05.2021 – 5 StR 337/20

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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