Fernbleiben einer gerichtlichen Hauptverhandlung aufgrund Eigenschaft als Corona-Kontaktperson?

 In Veröffentlichungen

Das Kammergericht musste sich im August 2021 damit auseinandersetzen, ob das unentschuldigte Fernbleiben in einer gerichtlichen Hauptverhandlung aufgrund eines Erstkontaktes mit einer corona-infizierten Person Konsequenzen nach sich zieht.

Der Betroffene hat Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt, welche nach § 74 Abs. 2 OWiG nur vom Tatgericht verworfen werden darf, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Dies sah er jedoch anders. Durch den Kontakt mit einer an COVID-19 erkrankten Person sei es für ihn selbstverständlich, nicht bei Gericht zu erscheinen. Diesen Vortrag ließ das zuständige Amtsgericht nicht gelten.

Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Beschwerde zum Kammergericht ein. Er begründete seine Verfahrensrüge damit, dass durch die Verwerfung des Einspruches gegen den Bußgeldbescheid sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde.

Das Kammergericht folgte der Meinung des Amtsgerichtes und stellte fest, dass der Richter den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerfrei verworfen hat, somit die Kontaktpersoneigenschaft ohne Mitteilung nicht zu dem Privileg führt, bei einer gerichtlichen Hauptverhandlung einfach fernzubleiben.

Der Kern der Entscheidung liegt in der Reichweite der Nachforschungspflicht

Verfahrensrechtlich trifft den zuständigen Richter eine Nachforschungspflicht über einen Entschuldigungsgrund, wenn ein Angeschuldigter bei der Hauptverhandlung nicht anzutreffen ist. Dazu zählen im Einzelfall abzuwägende Belange des Betroffenen, welche gegen die öffentlich – rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Verhandlung abgewogen werden müssen. Kommt der Richter zu dem Entschluss, dass es sich um einen triftigen Grund des Fernbleibens handelt, so ist ein Einspruch stattzugeben.

Zu Beginn prüft der Richter jedoch, ob eine Entschuldigung des Angeklagten überhaupt vorliegt – erst folgend wird geprüft, ob diese Entschuldigung auch ausreichend sei.

Die oben genannte Nachforschungspflicht des Vorsitzenden Richters tritt erst dann ein, wenn ein „konkreter und schlüssiger Sachvortrag vorliegt“, welcher das Ausbleiben des Betroffenen im Kern umreißen kann.

Schriftsatz der Verteidigung vor Sitzungsbeginn reichte in diesem Fall nicht aus

Hier wurde das Ausbleiben des Beschuldigten durch seine Verteidigerin vor Sitzungsbeginn durch einen Schriftsatz dem Gericht preisgegeben. Es wurden Angaben zur Kontakteigenschaft sowie zum positiven Testergebnis der erkrankten Person mitgeteilt. Dies war seitens des Kammergerichts zu vage und zu unpräzise. Es bedürfe einem „gerichtlich überprüfbaren“ Dokument über die tatsächliche Erkrankung der Kontaktperson sowie detaillierte Infos zum Ort und Zeit der Testung. Auf eine bloße Behauptung müsse sich das Amtsgericht nicht einlassen.

Zudem wurde vom Kammergericht klargestellt, dass der Schriftsatz keine Nachforschungspflicht des Richters auslöst – da das Schreiben keinerlei auf Wahrheitsgehalt überprüfbaren Angaben enthielt.

Ein nachträglich eingereichter Schriftsatz der Verteidigung war im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht von Bedeutung, da es hier hinsichtlich der rechtlichen Überprüfung des Verwurfes des Einspruchs auf die Umstände allein ankommt, welche dem Gericht bei erlass des Urteils bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.

KG, Beschl. v. 30.08.2021 – 3 Ws (B) 163/21

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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