Fotos im Gericht: Handy-Sicherstellung des Angeklagten durch Richter ist nicht erlaubt

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Das Oberlandesgericht Oldenburg musste sich im März 2021 mit der Rechtmäßigkeit einer richterlichen Maßnahme während eines Hauptverhandlungssitzung beschäftigen. Hier war zu hinterfragen, ob die geforderte Handlung des Richters noch in seinen Bereich der sitzungspolizeilichen Gewalt nach § 176 GVG fällt oder bereits dessen Grenzen überschreite.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Februar 2021 fand gegen den Angeklagten vor dem Landgericht Osnabrück ein Strafverfahren statt. Der Richter wurde nach der Urteilsverkündung von einem Zuschauer darauf aufmerksam gemacht, dass der Beklagte bei Betreten sowie auch während des Fortganges der Sitzung Aufnahmen vom Sitzungssaal anfertigte.

Aufgrund dieser Annahme ordnete der Richter die Sicherstellung des Mobiltelefons des Angeklagten an. Dieser händigte sein Mobiltelefon aus, gab aber keinerlei Erklärung zu dem verwendeten Entsperrcode ab. Der Richter leitete das Smartphone mit Bitte um Auswertung von Bild -, Video – sowie Audiodateien an die Staatsanwaltschaft weiter.

Gegen diese Sicherstellung des Telefons wehrt sich der Angeklagte mit einer Beschwerde. Diese ist in ihrer Regelanwendung gegen eine sitzungspolizeiliche Maßnahme, wie diese hier durch die Sicherstellung des Telefons ergangen ist, nicht möglich. In besonderen Konstellationen greift jedoch eine Ausnahmeanwendung , nämlich dann, wenn die Maßnahme über die Dauer der Hauptverhandlung „hinauswirkt“ und zudem Grundrechte oder anderer Rechtspositionen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Das war im folgenden Fall anzunehmen, da die Maßnahme erst nach der Urteilsverkündung angeordnet wurde und zusätzlich das Telefon an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde.

Die sitzungspolizeiliche Gewalt soll gemäß § 176 GVG als Instrument seitens der Richter genutzt werden, um die Wahrung der Ordnung in der Sitzung zu ermöglichen und einen störungsfreien und gesetzmäßigen Ablauf zu garantieren. Dies erfasst in zeitlicher Hinsicht die Zeitspanne kurz vor und nach der Hauptverhandlung sowie die dort ausgerufenen Pausen.

Beispielsweise ist der Richter befugt, als sitzungspolizeiliche Anordnung einem Störer das Fotografieren in der Hauptverhandlung zu untersagen. Soll nach dieser Aufforderung immer noch kein Unterlassen eingekehrt sein, so kann der Fotoapparat bis zum Ende der Sitzung sichergestellt werden.

Im vorliegenden Fall geschieht die Sicherstellung des Mobiltelefons erst über das Ende der Hauptverhandlung hinaus und stellt somit keine sitzungspolizeiliche Maßnahme mehr da, da diese nicht dazu dient, einen störungsfreien und gesetzesmäßigen Sitzungsablauf zu gewähren. (vgl. LG Landau, Beschluss vom 14. November 2017 – 5 Qs 19/17, juris).

Ob der Angeklagte durch die gemachten Fotos eine strafbare Handlung nach §§ 33 Abs. 1, 22 KunstUrhG begangen hat, kann nicht mehr in das zeitliche Fenster der sitzungspolizeilichen Maßnahmen gezählt werden, sondern ist gesondert zu verfolgen, beispielsweise durch einen Beschlagnahmebeschluss des zuständigen Ermittlungsrichters.

Somit war die Anordnung durch die Richter der Beschwerdekammer aufzuheben. Die Anordnung geschah rechtswidrig.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.03.2021 – 1Ws 81/21 –

Foto: AdobeStock Nr. 75986075

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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