Hausdurchsuchung in Folge eines Bußgeldverfahrens verhältnismäßig?

 In Veröffentlichungen

Die Richter des Landgerichtes Hagen mussten sich in ihrem Beschluss vom 17.12.2018 mit der Verhältnismäßigkeit einer Wohnungsdurchsuchung aufgrund einer einfachen Geschwindigkeitsüberschreitung beschäftigen. Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im März 2017 wurde eine durch den Beklagten begangene Geschwindigkeitsüberschreitung von 60 km/h außerorts festgestellt, wodurch er vor dem Amtsgericht zu einer Geldbuße von 600 EUR sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt wurde. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Beklagte mit einer Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht.

Das Oberlandesgericht folgte der tatbestandlichen Feststellung des Amtsgerichtes, kritisierte jedoch den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich mangelnder Feststellung der Vermögenslage des Betroffenen im Hinblick auf die ausgesprochene Sanktion und verwies die Sache zurück an das erstinstanzlich-zuständige Amtsgericht.

Daraufhin versuchte das Amtsgericht, die Vermögensverhältnisse des Beklagten festzustellen. Aufgrund mangelnder Auskunft durch den Beklagten sowie seinen Verteidiger blieb der Versuch ergebnislos. Um eine Feststellung dennoch zu ermöglichen, ordnete das Amtsgericht formell rechtmäßig durch richterlichen Beschluss eine Durchsuchung der Wohnung des Verurteilten an, um dort Informationen über dessen Vermögenslage zu beschaffen. Auch dagegen wandte sich der Betroffene mit einer Rechtsbeschwerde zum Landgericht.

Das Landgericht wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet ab. Dies untermauerten die Richter mit folgender Begründung:

Die Wohnungsdurchsuchung des Betroffenen war nach § 46 Abs. 1 OWiG iVm. §§ 102,103 StPO als rechtmäßig durchgeführt festzustellen. Das Amtsgericht hatte in der Anordnung ausreichend begründet, dass nur solche Gegenstände gesucht werden sollen, welche Auskünfte über die Vermögenslage des Betroffenen preisgeben. Der sogenannten „Umgrenzungsfunktion“, welche vom Bundesverfassungsgericht seit 2006 verlangt werde (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Juni 2006 – 2 BvR 1117/06), wurde vom Amtsgericht genüge getan.

Des Weiteren war die Anordnung auch vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gedeckt. Am legitimen Zweck als auch an der Geeignetheit der Maßnahme sahen die Richter des LG keinen Zweifel. Fraglich war jedoch, ob eine Durchsuchung als erforderlich einzustufen war, also das mildeste Mittel bei gleichbleibender Effizienz darstellte.

Demnach begründete das LG, dass die Beamten keinerlei andere Möglichkeiten besaßen, um an die zur Feststellung benötigten Informationen zu gelangen.

Eine Einkommensschätzung anhand des geführten Fahrzeuges, wie vereinzelt in der Rechtsprechung gehandhabt (OLG Köln, Beschluss vom 04. März 2011 – III-1 RBs 42/11), konnte im geschilderten Fall nicht vorgenommen werden, da keine hinreichende Feststellung über die Eigentumslage des Fahrzeugs möglich war. Der Beklagte ließ sich mit der Behauptung ein, dass Fahrzeug lediglich gemietet zu haben. Gegen diese Annahme sprach jedoch die Verwendung seiner Initialen auf dem Kennzeichen. Für eine Feststellung reichte diese Beweislage jedoch nicht aus.

Eine mildere Maßnahme würde die automatisierte Datenbereitstellung bezüglich der Konten des Beklagten darstellen. Solch ein Zugriff durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen möglich, welche in § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG geregelt ist. Darunter fallen jedoch lediglich Straftaten, keine Ordnungswidrigkeiten, wodurch diese Maßnahme ausscheidet.

Auch die Anfrage einer hinterlegten Kontonummer beim Kraftfahrtbundesamt führte nicht zu dem gewünschten Ergebnis, sondern könnte lediglich durch einen notwendigen Zugriff auf Informationen Dritter Erfolg versprechen, was jedoch auch Maßnahmen gegen Unbeteiligte mit sich ziehe, was dem Verhältnismäßigkeitsrahmen sprengen würde. Somit war die Durchsuchung erforderlich.

Hinsichtlich der Abwägung rechtlich geschützter Interessen kam das Landgericht zu keinem anderem Ergebnis. Eine Ordnungswidrigkeit schließe eine Durchsuchungsmaßnahme nach den §§ 102, 103 StPO schon systematisch nicht aus, da § 46 Abs. 1 OWiG drauf verweise.

Des Weiteren gelte auch bezüglich der Bußgeldhöhe keine pauschale Unter – oder Obergrenze, ab wann eine Hausdurchsuchung unverhältnismäßig sei, denn es komme immer auf die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall an, welche hier vom Amtsgericht auch richtig ermittelt wurde. Indizien dafür stelle die Schwere der Tat (60 km/h außerorts überschritten) sowie zahlreiche Voreintragungen dar, welche die hohe Leichtfertigkeit des Täters sowie dessen Gefährdungspotential widerspiegeln.

Letztendlich waren die Verhältnismäßigkeitsanforderungen für eine Hausdurchsuchung seitens des LG Hagen erfüllt, die Rechtsbeschwerde wurde als unbegründet verworfen.

An dieser Entscheidung ist zu erkennen, dass auch „kleinere“ Vergehen im Ordnungswidrigkeitsbereich große Einschnitte in die bürgerlichen Grundrechte begründen können. Dieser Beschluss stellt jedoch keinen Freifahrtschein für Behörden dar, sondern untermauert die Wichtigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall.

Falls auch Sie Opfer einer solchen Maßnahme wurden, ist es ratsam, schnellstmöglich einen Experten auf diesem Gebiet aufzusuchen, um die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfen zu können und effektive Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Strafrecht

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