Heroinkonsum zur Eigenbehandlung von erheblichen Schmerzen: durch Notstand gerechtfertigt?
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss aus dem Jahre 2016 festgestellt, dass der Konsum von Heroin zur Linderung von erheblichen krankheitsbedingten Schmerzen nicht unter den gerechtfertigten Notstand nach § 34 StGB fällt, denn die Schmerzlinderung könne immer noch durch andere Maßnahmen erreicht werden.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Jahre 2013 litt die Beschuldigte an einem massiven Schub ihrer Sarkoidose-Erkrankung. Aufgrund der damit einhergehenden erheblichen Schmerzen war ihr es nicht mehr möglich, ihr Bett zu verlassen. Als auch die vom Arzt verschriebenen Schmerzmittel nicht mehr geholfen haben und die Beschuldigte sich weigerte, weitere morphinhaltige Medikamente zu sich zu nehmen, beschaffte sie sich mit ihren letzten Kräften Heroin, um ihre Schmerzen weitestgehend zu lindern.
Aufgrund des dauerhaften Konsums und der damit einhergehenden Schmerzunterdrückung war Sie wieder in der Lage zur Arbeit zu gehen und sich um ihre Kinder zu kümmern. Nachdem die Frau jedoch im Dezember 2014 bei der Übergabe von 58 Gramm Heroin von der Polizei beobachtet wurde, wurde sie unter anderem wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen angeklagt und vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Haftstrafe verurteilt.
Dagegen wandte sich die Verurteilte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof. Sie argumentierte, dass Sie die Drogen aufgrund ihrer Krankheit entgegennahm und diese ihr wieder einen lebenswürdigen Alltag schenken würden, was unter den Voraussetzungen des gerechtfertigten Notstandes nach § 34 StGB rechtmäßig sein müsse.
Die Richter des Bundesgerichtshof schlossen sich der Entscheidung des Landgerichts an und wiesen die Revision der Frau daher zurück. Sie habe sich demnach wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht. Dies begründeten die Richter wie folgt:
Die Notstandslage nach § 34 StGB kann als gegeben angesehen werden, da zum Zeitpunkt der Tat für die Frau aufgrund ihrer Krankheit eine gegenwärtige Gefahr für ihre Gesundheit bestand. Dennoch bedarf es hinsichtlich der Notstandshandlung auch einer bestimmten „Erforderlichkeitsschwelle“, welche erst dann erfüllt ist, wenn keine anderen möglichen milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
Im vorliegenden Fall war jedoch das unerlaubte Verschaffen von Heroin nicht erforderlich, um die mit dem Krankheitsschub einhergehenden Schmerzen zu lindern und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Der Rückgriff auf die illegale Substanz stellte nicht das mildeste, zur Verfügung stehende Mittel dar. Die Frau hätte sich auch einfach auf legale Möglichkeiten der effektiven Schmerzbehandlung einlassen können.
Dennoch habe Sie vielmehr gleich nach Beginn des Krankheitsschubs auf unerlaubte Drogen zurückgegriffen, ohne einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, die durch den behandelnden Arzt vorgeschlagene Medikamentenkur durchzuführen oder bei Bedarf auch etwaige Änderungen herbeizuführen. Auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes sei nicht in Betracht gezogen werden, obwohl diese im vorliegenden Fall durchaus möglich gewesen wäre.
Diese Ausnahmeregelung, welche vor allem aufgrund der Behandlung durch Cannabisprodukte in das Rampenlicht gerückt ist, sei auch für Heroinprodukte anwendbar, welche zu therapeutischen Zwecken verwendet werden. In diesem Zusammenhang verweisen die Richter darauf, dass mit für die Substitutionsbehandlung zugelassenes Diamorphin ein mit Heroin substanzgleiches Produkt mit gleicher Wirkung zur Verfügung stehe und vor allem aufgrund dieses Umstandes eine Erforderlichkeit zwingend abzulehnen ist.
Letztendlich scheiterte die Revision beim Bundesgerichtshof und es kam zur Bestätigung der landgerichtlichen Verurteilung.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2016 – 1 StR 613/15 –
Hinweis:
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Sven Skana
Fachanwalt Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht