Verbringung in ausländisches Seniorenheim ohne medizinisches Erfordernis = Bewährungsstrafe

 In Veröffentlichungen

Das Amtsgericht München hat sich im Juli 2021 mit einem kuriosen Fall auseinandersetzen müssen. Die Tatrichterin verurteilte einen 67 – jährigen Rentner sowie seine 56 – jährige erwerbsunfähige Frau aus München wegen Freiheitsberaubung zu einer Bewährungsstrafe von je einem Jahr und sechs Monaten, weil diese ihre 92 – jährige pflegebedürftige Mutter des Angeklagten in ein Seniorenheim in Tschechien verbrachten. 

Es handelte sich um folgenden Sachverhalt:

Bei dem Angeklagten handelt es sich um eine Mutter-Sohn-Beziehung zu der 92 – jährigen Geschädigten. Die Angeklagte ist mit dem Beschuldigten verheiratet und hat zeitgleich dessen Mutter gepflegt und auch gesetzlich betreut, bis diese am 22.09.2019 von einem gesetzlichen Berufsbetreuer abgelöst wurde.

Seniorin gegen ihren Willen nach Tschechien verbracht

Als sich die Geschädigte aufgrund eines Krankheitsvorfalles in einem gerontologischen Krankenhaus befand, wurde Sie am 18.01.2019 entlassen und von den Angeklagten abgeholt. Anstatt die Seniorin wieder nach Hause zu bringen, fuhren diese jedoch nach Tschechien und verbrachten Sie dort in ein Seniorenheim. Aufgrund der Angaben seitens der Angeklagten bei der Aufnahme wurde die Frau als dement eingestuft und auf eine geschlossene Demenzstation verlegt, auf welcher Sie bis zum 08.08.2019 über einen Zeitraum von ca. 7 Monaten eingesperrt war. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts gab es bezüglich der Zuteilung auf eine geschlossene Station keine medizinische Notwendigkeit oder eine notwendige richterliche Genehmigung. 

Im Gegenteil: Die Ärzte haben bei der Entlassung der Geschädigten aus dem Krankenhaus sowie aus dem Seniorenheim eine erneute häusliche Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst empfohlen. 

Die ältere Dame konnte wieder zurückgebracht werden

Als das Verschwinden der Frau durch ihre gesetzliche Berufsbetreuerin aufgedeckt wurde, konnte die Frau die Geschädigte am 08.08.2019 aus dem Seniorenheim „retten“. Sie befand sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und war stark verschmutzt und ungepflegt. Sie hatte aufgrund der mangelnden Hygiene tennisgroße Hämatome am Rücken und trug stark verschmutzte Kleidung.  

Nach den Feststellungen seitens der Tatrichterin nahmen die Angeklagten zumindest billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch die nicht notwendige und nicht genehmigte Unterbringung auf einer geschlossenen Station der Freiheit beraubt wurde. Da die Angeklagten wussten, dass sich die Geschädigte während dieser Zeitspanne nicht selbst „befreien“ konnte, bezogen Sie die Wohnung der Seniorin und richteten diese neu ein. 

Angeklagte geständig, dennoch schwerwiegendes Vergehen

Für die Angeklagten spricht, dass sich diese vollumfänglich eingelassen und ein Geständnis abgelegt haben, was dem Gericht eine ausschweifende Beweisaufnahme erspart hat. Zudem sind keine Vorstrafen vermerkt. Außerdem wurde die Freiheitsberaubung billigend in Kauf genommen und nicht vollumfänglich von beiden beabsichtigt. Hinzufügend waren die Beiden mit der Pflege der Mutter derart überfordert, dass Sie sich nicht mehr zu helfen wussten. 

Dennoch spricht gegen die Angeklagten, dass Sie der Geschädigten über einen Zeitraum von sieben Monaten die Freiheit geraubt haben und diese sich aufgrund des Aufenthaltes in einem deutlich schlechteren physischen als auch psychischen Zustand befindet als zuvor. Als weiteres Indiz für eine Verschärfung der Strafe spricht, dass die Beiden die Frau unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Tschechien verbrachten und die Frau über eine längere Zeitspanne die Hoffnung hatte, doch noch von ihrem Sohn abgeholt zu werden. 

Letztendlich verurteilte die Richterin das Ehepaar aufgrund der Freiheitsberaubung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. 

Amtsgericht München, Urteil vom 22.07.2021 – 820 Ls 275 Js 118454/20 –

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. 

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana 

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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