Befangenheit des Richters: Schöffe bezeichnet Einlassung des Angeklagten als „Quatsch“

 In Veröffentlichungen

Der Bundesgerichtshof musste sich in einem Beschluss aus dem Jahre 2018 erneut mit der Konkretisierung des Strafprozessrechtes auseinandersetzen. Dort hat ein Schöffe eine Einlassung des Angeklagten mit dem Worten „Quatsch“ unterbrochen, was seitens der Richter aus Karlsruhe eine Befangenheit bestätigt und den Austausch des Schöffen rechtfertigt.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Vor dem Landgericht Potsdam fand gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung statt. Gleich am ersten Verhandlungstag begann der Angeklagte, eine schriftliche Erklärung bezüglich seiner Tathandlung vorzulesen. Während dieser Einlassung kam es dazu, dass der beisitzende Schöffe sich plötzlich mit den Worten gegenüber dem Einlassenden äußerte, ob dieser „tatsächlich an diesen Quatsch glaube, welchen er hier erzähle“. Aufgrund dieser Äußerung lehnte der Angeklagte den Schöffen als befangen ab. Dieser entschuldigte sich zwar im Rahmen einer dienstlichen Äußerung mit dem Argument, dass er lediglich wissen wollte, ob der Angeklagte die Einlassung ernst meinte oder es sich dabei um einen für alle „erkennbaren provozierenden Unsinn“ handelt.

Der Befangenheitsantrag wurde einer anderen Strafkammer zur Entscheidung vorgelegt. Diese lehnte den Antrag aufgrund der Äußerung jedoch ab und begründet dies damit, dass der Schöffe lediglich eine verständliche Unmutsäußerung getätigt habe und in der dienstlichen Erklärung nachvollziehbar dargestellt hat, warum es zu dieser Reaktion gekommen ist. Zudem habe er sich entschuldigt und seine für den weiteren Verhandlungsverlauf fortbestehende Objektivität gegenüber dem Angeklagten versichert. Dies reichte der entscheidungsbemächtigten Strafkammer aus, der Antrag wurde abgewiesen, der Angeklagte wurde durch die Kammer, in welcher auch der Schöffe dient, verurteilt. Dagegen wandte sich der Angeklagte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof.

Dieser entschied zu Gunsten des Angeklagten, hob die ergangene Entscheidung des Landesgerichts gegen ihn auf und wies die Sache mit der Forderung zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landesgerichts zurück. Diese Entscheidung wurde durch die Mitwirkung des Schöffen begründet, welcher wegen der Besorgnis der Befangenheit hätte abgelehnt werden müssen. Dieses Gesuch wurde gemäß den Richtern des BGH zu Unrecht verworfen. Das Urteil musste somit aufgehoben werden.

Nach der Ansicht des Bundesgerichts habe die Aussage des Schöffen ein Misstrauen bezüglich seiner Unparteilichkeit erweckt, was eine Befangenheit rechtfertigte. Diese „grob unsachliche“ Bemerkung und die Entscheidung, die Einlassung des Angeklagten zu unterbrechen und daraufhin nicht mehr zu folgen, weil er diese subjektiv für Unsinn hielt, sei laut den Richtern keine unbeachtliche „Unmutsaufwallung“, sondern zerstöre die Neutralität des Rechtspflegevorgangs bei Gericht. Es sei dem Schöffen nicht darum gegangen, dem Angeklagten auf gewisse Bedenken seiner Äußerung hinzuweisen, sondern die getätigten Aussagen gezielt zu diskreditieren. Dies zeige nicht nur die Wortwahl, sondern auch der Umstand, dass er das Ende der Einlassung nicht abgewartet hatte.

Die begehrte „Heilung“ durch die dienstliche Äußerung des Schöffen sei nicht ausreichend gewesen, um die verursachte Unparteilichkeit zu beseitigen. Diese war viel mehr dazu geeignet, um das bereits angefallene Misstrauen noch weiter zu vertiefen. Der Schöffe habe deutlich gemacht, dass er die Einlassung des Angeklagten weiterhin als nicht ernst gemeint oder als Unsinn bewertet. Die darauffolgende Aussage, dass er sich von nun an objektiv verhalte, sei unbeachtlich, da ein bereits bestehendes Misstrauensverhältnis durch solch eine Aussage nicht wieder in den Urzustand versetzt werden kann (BGH, Beschluss vom 06.03.2018  – 3 StR 559/17).

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

Neueste Beiträge