Kein Einbruch bei Öffnung mit verlorenem Schlüssel – kein „falscher Schlüssel“

 In Veröffentlichungen

Dem BGH-Beschluss und dem zuvor durch das LG Essen erlassenen Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte verschaffte sich nach seinem Drogenkonsum mit Hilfe eines aus dem Schlüsselkasten seiner Lebensgefährtin am 17.08.2018 eigenmächtig entnommenen Schlüssels am 18.08.2018 Zutritt zu der Wohnung der sich im Urlaub befindlichen Eltern des früheren Ehemanns der Lebensgefährtin.

Dort entwendete er Gegenstände sowie Bargeld. Die Tatsache, dass sich der Schlüssel noch im Besitz der Lebensgefährtin befand, war bei den Eltern des früheren Ehemanns der Lebensgefährtin in Vergessenheit geraten. Nach dem Diebstahl legte der Angeklagte zur Spurenbeseitigung spontan ein Feuer in der Wohnung. Diese wollte er zumindest teilweise zerstören. Er beabsichtigte dabei aber nicht, die anderen Bewohner des Mehrfamilienhauses in Todesgefahr oder in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung zu bringen. Die Wohnung war infolge der Tat und aufgrund der starken Verrußung und Veräucherung bis Februar 2019 nicht mehr bewohnbar.

Das LG verurteilte den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Wohnungseinbruchdiebstahl sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte nur teilweise Erfolg. Der BGH lehnte das Vorliegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 I Nr. 3 StGB ab.

§ 244 I Nr. 3 StGB setzt u.a. voraus, dass der Täter zur Tatausführung mit einem „falschen“ Schlüssel in eine Wohnung eindringt. Dem BGH zufolge ist ein Schlüssel falsch, wenn er zum Zeitpunkt der Tat vom Berechtigten nicht oder nicht mehr zur Öffnung bestimmt ist. Das sei nach der ständigen Rspr. nicht bereits dann der Fall, wenn der Täter sich eines Schlüssels, der zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmt ist, unbefugt bediene und diesen dann für seine Diebstahlstat nutze. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schlüssel falsch ist, sei allein der Wille des zur Verfügung über die Wohnung Berechtigten und ob dieser den Schlüssel nicht, noch nicht oder nicht mehr zur Öffnung des Wohnungsschlosses bestimmt sehen möchte (sog. Entwidmung), von Relevanz. Dieser Wille könne durch den Berechtigten sowohl ausdrücklich als auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden. Entscheidend sei, dass die Entwidmung vom Willen des Berechtigten getragen werde. Ein gestohlener oder auf andere Weise abhanden gekommener Schlüsse könne die Bestimmung zur rechtmäßigen Öffnung nicht von selbst verlieren.

Wie ist aber im vorliegende Fall zu entscheiden, in dem die Existenz des Schlüssel vergessen wurde? Der BGH stellte fest, dass ein bloßes Vergessen nicht zwangsläufig zu der Annahme einer Entwidmung führen könne. Dies wurde u.a. damit begründet, dass dem Vergessen immanent sei, dass eine Willensbildung des Berechtigten in Bezug auf die Gebrauchsbestimmung des Schlüssels gerade nicht stattfinde. Ein in Vergessenheit geratener Schlüssel könne erst dann als falscher Schlüssel eingeordnet werden, wenn er wieder in das Bewusstsein des Berechtigten rücke und von diesem sodann ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten oder – vergleichbar mit einem abhanden gekommenen Schlüssel – zumindest subjektiv als endgültig verloren betrachtet und so seiner Bestimmung zur ordnungsgemäßen Öffnung der Haus- bzw. Wohnungstür entzogen werde. Die Tatsache, dass die Eltern des früheren Ehemannes der Lebensgefährtin des Angeklagten den Schlüssel vergessen und nach der Trennung nicht zurückverlangt hatten, wurde vom Gericht nicht als konkludentes Verhalten dahingehend gewertet, dass eine Entwidmung des Schlüssel stattfinden sollte.

BGH, Beschluss vom 18.11.2020 – 4 StR 35/20 (LG Essen)

Foto:AdobeStock Nr. 447566477
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Sven Skana

Fachanwalt  für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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