Massendiebstahl ausrangierter Ware mit Schönheitsfehler – Student erhält Bewährungsstrafe

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Das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts München hatte im März 2021 die Aufgabe, über einen 23 – jährigen Informatikstudenten zu richten. Dieser musste sich aufgrund drei vollendeten und einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor dem Strafrichter verantworten.

Es folgte eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung.

Diese Entscheidung fußt auf folgendem Sachverhalt:

Der Angeklagte war während des Zeitraums vom Oktober 2017 – Januar 2019 als Werkstudent in einer Subunternehmerfirma beschäftigt, welche dafür zuständig war, Ausschussteile einer Autobaufabrik in München zu verschrotten.

Viele dieser elektronischen Bauten hatten lediglich kleine Schönheitsfehler, waren jedoch in ihrer technischen Funktionsfähigkeit nicht eingeschränkt. Da es der Informatikstudent nach seiner Aussage „nicht übers Herz brachte“ die funktionierenden Teile zu verschrotten, begann er, diese etappenweise auf dem Firmengelände zu verstecken und im Anschluss daran mit seinem eigenen PKW abzutransportieren. Die Beute lagerte er entweder bei sich zu Hause oder aufgrund bereits eingetretenem Platzmangels bei einem Freund.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um einen Fall der sogenannten „Dereliktion“, also der Besitzaufgabe seitens der Autobauerfirma. Diese möchte den Besitz der Teile nämlich nicht für die Allgemeinheit aufgeben, sondern diese Teile direkt an die Firma weitergeben, welche für deren Verschrottung zuständig ist, um etwaige Firmenspionage und Entwendung von noch nicht patentierter Hardware vorzubeugen.

Als er im Januar 2019 das Unternehmen verließ, kopierte er mittels eines technischen Gerätes die elektronischen Werksausweise zweier anderer Mitarbeiter, um auch nach seinem Beschäftigungsverhältnis weitere elektronische Teile zu stehlen.

Insgesamt wurden der Firma Gegenstände im Gesamtwert von 86.520 € gestohlen.

Der Student wurde nach einer Observation durch die Polizei auf dem Nachhauseweg mit Diebesgut aufgegriffen, verhaftet und für drei Wochen in Untersuchungshaft verbracht. Er sagte aus, dass er die Gegenstände lediglich für sich verwende und seine Beute nicht gewinnbringend verkaufen wolle. Nach seinen Worten war es ihm nicht bewusst, in dieser Situation falsch zu handeln.

Nach dem Aufenthalt in Untersuchungshaft hat sich der Angeklagte unverzüglich in psychiatrische Behandlung begeben. Seitens der angeforderten Sachverständiger liegt bei dem Beschuldigten ein Asperger – Syndrom bei einer leicht überdurchschnittlichen Intelligenz vor. Dies sei aber nicht so ausgeprägt, dass es die Schuldfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigte.

Für die zuständige Jugendrichterin gab es abzuwägen:

Zu Gunsten des Beklagten wurde angerechnet, dass dieser hinsichtlich der Sache sofort vollumfänglich geständig war, zudem keine Voreinträge im Zentralregister aufwies und alle gelagerten Sachen zurückgegeben wurden. Auch habe er durch die plötzliche Situation der Untersuchungshaft bereits eine sanktionierende Maßnahme erlitten, was ihm für sein Urteil strafmildernd anzurechnen sei.

Zu Lasten des Angeklagten war anzunehmen, dass er die Gegenstände über einen sehr langen Zeitraum entwendet hat. Zudem ist er dabei sehr gezielt und strategisch vorgegangen (Kopie der codierten Werkausweise der Mitarbeiter usw.) und er hatte auch nicht die Absicht, seine strafbaren Handlungen in Zukunft zu unterbinden.

Da es sich jedoch um die erste Jugendstrafe des 23 – Jährigen handelt, setzte das Gericht diese Strafe zur Bewährung aus. Die Richterin geht davon aus, dass der Angeklagte durch seine Verurteilung ausreichend gewarnt sei und demnach keine weiteren Straftaten begehen wird.

Amtsgericht München, Urteil vom 18.03.2021 – 1011 Ls 455 Js 122116/19 jug –

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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