Notwehrprovokation – Verspätete Pizzabestellung führt zum Streit

 In Veröffentlichungen
Durch eine verspätete Essenslieferung kam es zu einer Reiberei

Das Amtsgericht Frankfurt am Main wurde im Juli 2021 in einen kuriosen Fall verwickelt. Der Richter musste über eine Körperverletzung seitens des Angeklagten entscheiden, welcher nach einem vorausgegangenen Streit zwischen ihm und dem Geschädigten aufgrund einer verspäteten Pizzalieferung einen Angriff auf sich provozierte. Er wurde zu 150 Tagessätzen á 10 Euro verurteilt.

Das Urteil beruht auf folgendem Sachverhalt:

Nach den Feststellungen seitens des Amtsgerichts kam es am 24.01.2020 zu einem Streit zwischen dem Pizzalieferfahrer (Angeklagten zu 2), drei Zeugen sowie dem Nebenkläger. Da die Konversation derart ausartete, rief der Angeklagte zu 2) seinen Bruder, den Angeklagten zu 1), welcher Inhaber der Pizzeria ist, um ihn zu unterstützen.

Verspätete Essenslieferung eskalierte

Der Streit beruhte auf einer angeblich zu spät gelieferten Essensbestellung. Als beide Angeklagten sowie die anwesenden Zeugen in ein Handgemenge verwickelt waren, wessen Anfänge vom Gericht nicht vollumfänglich festgestellt werden konnten. Als der Angeklagte zu 2) sich bereits ca. 20 Meter vom Geschehen entfernte, rief er dem erkennbar betrunkenen und zudem körperlich deutlich unterlegenen Nebenkläger zu, dass er doch „zu ihm kommen“ und sich „wehren soll“. Dies sah der Geschädigte als Aufforderung zu einer Schlägerei und kam auf den Angeklagten zu 2) zu. Es soll zu einem Ausholen eines Schlages seitens des Geschädigten gekommen sein, worauf der Lieferfahrer derart gegen den Kopf des Nebenklägers schlug, dass dieser auf den Boden fiel und sich den Kopf am Asphalt aufschlug.

Obwohl nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen war, dass der Geschädigte zuerst zu einem Schlag gegen den Lieferfahrer ausgeholt hat, sah das Gericht die Erforderlichkeitsgrenze der Notwehrhandlung als überschritten an. 

Fahrlässige Notwehrprovokation – besonderes Vorgehen notwendig

Das Gericht wertete die vorwerfbare Provokation des Angeklagten zu 2) als fahrlässige Notwehrprovokation, welche eine Abstufung der Handlung in „Ausweichen – Schutzwehr – Trutzwehr“ gebietet. Da der Lieferfahrer den Geschädigten derart provoziert hat, so hätte er erst versuchen müssen, dem Angriff des Geschädigten auszuweichen. Da dies in der konkreten Situation eventuell nach Feststellungen des Gerichts nicht möglich war, so wäre im vorliegenden Fall Schutzwehr geboten. Da der Angeklagte zu 2) jedoch sofort einen Angriff im Sinne einer Trutzwehr, also den Angriff mit der Faust einleitete, fand keine ausreichende Abstufung des Gegenangriffes im Sinne einer fahrlässigen Notwehrprovokation statt und der Rechtfertigungsgrund der Notwehr nach § 32 StGB kann im vorliegenden Fall nicht entgegengesetzt werden. 

In dubio pro reo kommt zum Einsatz

Obwohl sich der Angeklagte zu 1) laut Zeugenaussagen an dem Gemenge und dem Angriff des Angeklagten zu 2) beteiligt hat, konnte ihm nicht vollumfänglich nachgewiesen werden, dass er den Geschädigten körperlich verletzt habe. So kam der Grundsatz „in dubio pro reo“ zum Tragen, wodurch der Angeklagte zu 1) freigesprochen wurde.

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.07.2021 – 980 Ds 858 Js 24821/20 –

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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. 

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana 

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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