Motorradhelmpflicht auch bei Kopfbedeckung aus religiösen Gründen

 In Veröffentlichungen

Nach § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO muss grundsätzlich während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen, wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt.

Ein Sikh, der aus religiösen Gründen einen Turban trug, stellte bei der Beklagten (Straßenverkehrsbehörde) einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung  zur Befreiung von der Pflicht, beim Motorradfahren einen Schutzhelm zu tragen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 b Alt. 2 StVO). Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, eine Ausnahmesituation liege nur dann vor, wenn sich die Hinderung, einen Motorradhelm zu tragen, auf gesundheitliche Gründe stützt.

Der Widerspruch und die Verpflichtungsklage des Klägers vor dem Verwaltungsgericht Freiburg blieben erfolglos. Daraufhin legte der Kläger Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim ein, der die Behörde dazu verpflichtete, erneut über den Antrag zu entscheiden und hierbei zu berücksichtigten, dass eine Ausnahmegenehmigung auch aus religiösen Gründen erteilt werden kann. Die Motorradhelmpflicht führt zwar nicht dazu, dass eine Person an der Praktizierung ihres Glaubens gehindert wird. Sie ist aber, sofern sie die Befolgung der religiösen Bekleidungsvorschriften als für sich verbindlich ansieht, gewissermaßen dazu gezwungen, auf das Motorradfahren zu verzichten. Aus diesem Grund kann eine mittelbare Beeinträchtigung der Religionsausübung vorliegen.

Der Kläger legte dann Revision gegen das Urteil des VGH beim Bundesverwaltungsgericht ein, welches diese zurückwies. Das BVerwG machte deutlich, dass das Vorliegen eines Hinderungsgrundes bzgl. des Helmtragens nicht dazu führt, dass eine unmittelbare Pflicht der Behörde zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung besteht. Eine solche ist nur dann möglich, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen individuellen Gründen nicht zugemutet werden kann. Im konkreten Fall fehlte es an einer ausreichenden Darlegung solcher Gründe.

Darüber hinaus machte das BVerwG deutlich, dass die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG eingeschränkt werden kann, wenn diese Einschränkung gerechtfertigt ist. Hier standen der  Beeinträchtigung der Religionsfreiheit des Klägers die Grundrechte Dritter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf Leben sowie körperliche und psychische Unversehrtheit entgegen. Schließlich verfolgt § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO als Ziel nicht nur den Schutz des Motorradfahrers und seiner Mitfahrer vor schweren (Kopf-)Verletzungen, sondern auch anderer Unfallbeteiligter (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.07.2019, BVerwG 3 C 24.17).

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Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Strafrecht

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